Skitour Strahlkogel - 3295 m
Auf der Suche nach der Überraschungsrinne
(8.April 2006)
Samstag 8.April durchs Grasstalltal auf den Breiten Grieskogel. Qualvolle Wetteraussichten - sonnig und frühlingshaft warm...

Dem sollte man besser entgehen - also zeitiger Aufbruch! In Niederthai war es noch schön dunkel und zur freudvollen Überraschung auch noch fast hochwinterlich kalt. Neuschnee glitzerte im Mondlicht auf den Bäumen. Mit Entzugssymptomen war also vorerst nicht zu rechnen, und in bester Weihnachtsstimmung geht es entlang einer Forststraße aufwärts. Bald zweigt rechts ein Waldweg ins Grasstalltal ab, doch auf der flachen Straße hatte ich schon so viel Fahrt aufgenommen, daß ich erst 1 Km später an einer Brücke zum Stehen kam. Durch steilen Wald (in dem man übrigens wunderbar verstecken spielen kann) wollte ich nun den Weg möglichst hoch oben erreichen, um mir diesen langweiligen Abschnitt zu ersparen. Leider erreichte ich den Weg schon etwas vor seinem Ende an der nächsten Brücke, wo das Tal sich auch gleich bedrohlich weitet. In unangenehm gleichmäßiger Steigung ging es weiter zum Talschluss. Eine nur ganz kurze Steilstufe führt hinauf zum Grasstallsee - aber als Trost war man hier endlich dem eisigen Wind ausgesetzt, der einem im Talgrund vorenthalten wurde. In schönem Bergauf-Bergab wird der See umrundet und Vorfreude machte sich bemerkbar auf die nachfolgende Querung zur pensionierten Gletscherzunge des Grasstallferners. Nach nur ein paar wenigen Spitzkehren wird es schon wieder flacher. Aber dafür hat man hier echt antikes Gletschereis unter den Füßen! Der Wind trieb fröhlich Eiskristalle vor sich her, und inzwischen war es so blendend hell geworden, daß man den Breiten Grieskogel in der Ferne bereits sehen konnte.
Es war ganz menschenleer, und romantisch brachen sich die Sonnenstrahlen am Gipfel. Dieser viel zu kitschigen Situation galt es zu entkommen. Zum Glück hält der Grasstallferner noch einen nur 10 Meter höheren Nebengipfel des Breiten Grieskogels bereit: den STRAHLKOGEL!
Photo: Strahlkogel // (c) oeg
Wunderbar felsig und unheimelig steht er da, mit einem beeindruckenden Gewirr an Rinnen, Bändern und Wandstufen. Ein großer Stein lädt sogleich zum gemütlichen Skidepot ein, und freundlicherweise hat sich der Grasstallferner auf seine alten Tage weit niedergesenkt, so daß der Klettergenuss um eine nicht unwesentliche Felsstufe verlängert wird. Ein schön plattiger Felsüberhang schützt den Gletscher vor weiterem Abschmelzen und schafft spannendes Terrain für die vorosterliche Suche nach der Überraschungs-Rinne. Die zeigte sich schon bald, endete aber gleich nach wenigen Metern unter dem nächsten Überhang. Die Rinnensuche blieb also spannend. Ein 20 Meter Kamin hilft beim Entrosten der Steigeisen, bevor sich endlich knirschendes Wassereis unter den Füßen tummelt. Herrlich schmale Quarzbänder schützen Schuhwerk und Eisen bei der folgenden Rechtsquerung vor weiterer übermäßiger Abnutzung, und bald öffnet sich auch schon die nächste Rinne. Leider ist sie mit viel zu griffigem Trittfirn gefüllt. Aber man kann ja mal schauen, was sich nach der nächsten Biegung befindet. Der Firn wurde dünner, die Begrenzungsrippen rückten näher, und noch bevor sie endlich ganz zusammengerückt waren, konnte man auch schon wieder das vetraut spröde Eis unter den Sohlen fühlen. Es schien also doch die richtige Rinne zu sein. Zum Bremsen war es eh viel zu spät - also drüber über das Ding. Dieser Übermut wurde sofort wieder mit Trittfirn bestraft. Doch bevor hier irgendwelche Langeweile aufkommen kann, endet die Rinne brav in einem angenehm schattigen Winkel, wo der vom immer noch fröhlich pfeifenden Winde verwehte Schnee für eine willkommene Erfrischung sorgte. Endlich wieder nach links queren, eine geschmeidige Gratrippe hoch zu einer Plattenstufe mit einem hübsch anzuschauenden Quarzmuster darin. Dies war eindeutig eine Markierung, der es zu folgen galt. Eine Linie an die linke Kante, eine Linie an die rechte Kante. Und wieder eine Linie an die linke Kante - welch abwechslungsreicher Zeitvertreib am frühen Morgen. So fiel es freilich schwer, sich von dem schönen Muster loszureissen. Doch linkerhand war wieder der Abstieg in eine Rinne möglich, und ein Blick in die wohlig düstere Tiefe zeigte gleich: das ist wieder die Einstiegsrinne! Da es soviel Zufall auf einmal ja gar nicht geben kann, musste man die jetzt einfach begehen. War eh nicht mehr weit bis zur Abschluss-Wechte. Die ist kaum größer als Manns-hoch und bombenfest - welch ein Finale!- vor der finalen Ausstiegsrinne. Die tauchte nämlich gleich dahinter auf, war ungewöhnlich leicht zu erreichen, und hinter dem ersten Aufschwung schien es doch tatsächlich flacher zu werden. Da machte sich natürlich Misstrauen bemerkbar und Gedanken an Umkehr kamen auf. Aber völlig unbegründet. Die Verflachung stellte sich zum Glück als unwesentlich heraus, und eine nette Quarzbank lädt hier zum Ausziehen der Handschuhe ein. Die waren eh mittlerweile gänzlich durchnässt, und was soll man bei dieser Kälte überhaupt mit nassen Handschuhen? Nach der Quarzbank ist die Rinne wieder gewohnt steil, und die wenigen Trittfirn-Passagen konnten den Genuss nicht mehr trüben, bis der Gipfel schließlich erklommen war.
Photo: Strahlkogel // (c) oeg
Wo war jetzt nur die Überraschungsrinne? Etwas Spannung sollte natürlich auch noch für den Abstieg bleiben. Zielsicher war bald der kalte Winkel wieder erreicht. Ein guter Platz, um klare Gedanken zu fassen. Halb Wassereis, halb Trittfirn ist nur ein fauler Kompromiss. Es musste einfach aufgeklärt werden, was sich hinter der Begrenzungsrippe befand. Und siehe - da war sie! Die Überraschungsrinne - und es war noch nicht einmal Palmsonntag! - wunderbar steil mit verlockenden Platten darin. Da gab es freilich keine Alternative zu dieser Abstiegsvariante. Der einzige Nachteil war, daß es keine gänzliche Verengung gab. Aber dafür gab es eine vielversprechende, noch längere Querung auf diesen materialschonenden Bändern, die schon zu Beginn solche Freude bereiteten. Und es war sogar ein kleiner Gegenanstieg drin über eine herrlich glatte Platte. So bestand auch keine Gefahr, sich in dem Teil noch in letzter Minute irgendwo die Finger einzuklemmen (wär ja echt blöd!). Nach der Platte die Ernüchterung: schon unterhalb des Kamins! Aber mit irgendwas muss man ja mal zufrieden sein. Noch ein paar Meter die Einstiegsrinne runter (ich hatte sie schon richtig lieb gewonnen) und wieder rein in die Ski und rauf auf den Grieskogel.
Photo: Strahlkogel // (c) oeg
Hier machte sich mittlerweile eine ganze Armee von Fotographen und Darstellern breit, die offensichtlich Werbeaufnahmen für einen Ski-Moden Katalog machten. So was sieht man ja nicht alle Tage, und es war eine nette Abwechslung nach der bedrückenden Stille von nebenan. Doch jeder weiß: auf das Showbusiness ist kein Verlass! Bevor die einen hier gnadenlos allein zurücklassen, fahr ich doch lieber gleich wieder runter, zumal meine Anwesenheit den Regisseur irgendwie nervös zu machen schien.
Ein paar Schwünge grausigster Pulverschnee, dann kurze Schussfahrt am Grasstallferner und endlich der langersehnte Bruchharsch, angemessen verspurt und wunderbar fest, so daß es beim Durchschneiden so richtig schön knarzt. Einfach herrlich. Weiter unten ein nahtloser Übergang in saftigen Faulschnee, stumpf genug, um trotz des lästigen Gefälles endlich schieben zu können - zum Glück war kaum mehr Wachs auf dem Belag! 1700 Meter Traumabfahrt bis nach Niederthai - und jeder einzelne Meter davon wird lange in Erinnerung bleiben!

Mehr Fotos und eine genauere Routenbeschreibung finden sich hier...

Genussvolle Ostergrüße von
oeg