Samstag 8.April durchs Grasstalltal auf den Breiten
Grieskogel. Qualvolle Wetteraussichten - sonnig und frühlingshaft
warm...
Dem sollte man besser entgehen - also zeitiger Aufbruch! In
Niederthai war es noch schön dunkel und zur freudvollen
Überraschung auch noch fast hochwinterlich
kalt. Neuschnee glitzerte im Mondlicht auf den
Bäumen. Mit Entzugssymptomen war also vorerst nicht
zu rechnen, und in bester Weihnachtsstimmung geht es
entlang einer Forststraße aufwärts. Bald zweigt
rechts ein Waldweg ins Grasstalltal ab, doch auf der flachen
Straße hatte ich schon so viel Fahrt aufgenommen,
daß ich erst 1 Km später an einer Brücke zum Stehen
kam. Durch steilen Wald (in dem man übrigens wunderbar
verstecken spielen kann) wollte ich nun den Weg möglichst
hoch oben erreichen, um mir diesen langweiligen Abschnitt zu
ersparen. Leider erreichte ich den Weg schon etwas vor seinem
Ende an der nächsten Brücke, wo das Tal sich auch gleich
bedrohlich weitet. In unangenehm gleichmäßiger
Steigung ging es weiter zum Talschluss. Eine nur ganz kurze
Steilstufe führt hinauf zum Grasstallsee - aber als Trost
war man hier endlich dem eisigen Wind ausgesetzt, der einem
im Talgrund vorenthalten wurde. In schönem Bergauf-Bergab
wird der See umrundet und Vorfreude machte sich bemerkbar auf
die nachfolgende Querung zur pensionierten Gletscherzunge
des Grasstallferners. Nach nur ein paar wenigen Spitzkehren
wird es schon wieder flacher. Aber dafür hat man hier
echt antikes Gletschereis unter den Füßen! Der Wind
trieb fröhlich Eiskristalle vor sich her, und inzwischen
war es so blendend hell geworden, daß man den Breiten
Grieskogel in der Ferne bereits sehen konnte.
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Es war ganz menschenleer, und romantisch brachen sich die
Sonnenstrahlen am Gipfel. Dieser viel zu kitschigen Situation
galt es zu entkommen. Zum Glück hält der Grasstallferner noch
einen nur 10 Meter höheren Nebengipfel des Breiten Grieskogels
bereit: den STRAHLKOGEL!
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Wunderbar felsig und unheimelig steht er da, mit einem
beeindruckenden Gewirr an Rinnen, Bändern und Wandstufen.
Ein großer Stein lädt sogleich zum gemütlichen
Skidepot ein, und freundlicherweise hat sich der
Grasstallferner auf seine alten Tage weit niedergesenkt, so
daß der Klettergenuss um eine nicht unwesentliche Felsstufe
verlängert wird. Ein schön plattiger
Felsüberhang schützt den Gletscher vor weiterem
Abschmelzen und schafft spannendes Terrain für die
vorosterliche Suche nach der Überraschungs-Rinne. Die
zeigte sich schon bald, endete aber gleich nach wenigen Metern
unter dem nächsten Überhang. Die Rinnensuche blieb
also spannend. Ein 20 Meter Kamin hilft beim Entrosten der
Steigeisen, bevor sich endlich knirschendes Wassereis unter
den Füßen tummelt. Herrlich schmale
Quarzbänder schützen Schuhwerk und Eisen bei der folgenden
Rechtsquerung vor weiterer übermäßiger
Abnutzung, und bald öffnet sich auch schon die
nächste Rinne. Leider ist sie mit viel zu griffigem
Trittfirn gefüllt. Aber man kann ja mal schauen, was sich
nach der nächsten Biegung befindet. Der Firn
wurde dünner, die Begrenzungsrippen rückten
näher, und noch bevor sie endlich ganz
zusammengerückt waren, konnte man auch schon wieder das
vetraut spröde Eis unter den Sohlen fühlen. Es
schien also doch die richtige Rinne zu sein. Zum Bremsen war
es eh viel zu spät - also drüber über das
Ding. Dieser Übermut wurde sofort wieder mit Trittfirn
bestraft. Doch bevor hier irgendwelche Langeweile aufkommen
kann, endet die Rinne brav in einem angenehm schattigen
Winkel, wo der vom immer noch fröhlich pfeifenden Winde
verwehte Schnee für eine willkommene Erfrischung
sorgte. Endlich wieder nach links queren, eine geschmeidige
Gratrippe hoch zu einer Plattenstufe mit einem hübsch
anzuschauenden Quarzmuster darin. Dies war eindeutig eine
Markierung, der es zu folgen galt. Eine Linie an die linke
Kante, eine Linie an die rechte Kante. Und wieder eine Linie
an die linke Kante - welch abwechslungsreicher Zeitvertreib am
frühen Morgen. So fiel es freilich schwer, sich von
dem schönen Muster loszureissen. Doch linkerhand war
wieder der Abstieg in eine Rinne möglich, und ein Blick
in die wohlig düstere Tiefe zeigte gleich: das ist wieder
die Einstiegsrinne! Da es soviel Zufall auf einmal ja gar
nicht geben kann, musste man die jetzt einfach begehen. War eh
nicht mehr weit bis zur Abschluss-Wechte. Die ist kaum
größer als Manns-hoch und bombenfest -
welch ein Finale!- vor der finalen Ausstiegsrinne. Die tauchte
nämlich gleich dahinter auf, war ungewöhnlich leicht
zu erreichen, und hinter dem ersten Aufschwung schien es doch
tatsächlich flacher zu werden. Da machte sich natürlich
Misstrauen bemerkbar und Gedanken an Umkehr kamen auf. Aber
völlig unbegründet. Die Verflachung stellte sich
zum Glück als unwesentlich heraus, und eine nette
Quarzbank lädt hier zum Ausziehen der Handschuhe ein.
Die waren eh mittlerweile gänzlich durchnässt,
und was soll man bei dieser Kälte überhaupt mit
nassen Handschuhen? Nach der Quarzbank ist die Rinne
wieder gewohnt steil, und die wenigen Trittfirn-Passagen
konnten den Genuss nicht mehr trüben, bis der
Gipfel schließlich erklommen war.
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Wo war jetzt nur die Überraschungsrinne? Etwas Spannung
sollte natürlich auch noch für den Abstieg bleiben.
Zielsicher war bald der kalte Winkel wieder erreicht. Ein
guter Platz, um klare Gedanken zu fassen. Halb Wassereis,
halb Trittfirn ist nur ein fauler Kompromiss. Es musste
einfach aufgeklärt werden, was sich hinter der
Begrenzungsrippe befand. Und siehe - da war sie! Die
Überraschungsrinne - und es war noch nicht einmal
Palmsonntag! - wunderbar steil mit verlockenden Platten
darin. Da gab es freilich keine Alternative zu dieser
Abstiegsvariante. Der einzige Nachteil war, daß es keine
gänzliche Verengung gab. Aber dafür gab es eine
vielversprechende, noch längere Querung auf diesen
materialschonenden Bändern, die schon zu Beginn solche Freude
bereiteten. Und es war sogar ein kleiner Gegenanstieg drin
über eine herrlich glatte Platte. So bestand auch keine
Gefahr, sich in dem Teil noch in letzter Minute irgendwo die
Finger einzuklemmen (wär ja echt blöd!). Nach der Platte die
Ernüchterung: schon unterhalb des Kamins! Aber mit irgendwas
muss man ja mal zufrieden sein. Noch ein paar Meter die
Einstiegsrinne runter (ich hatte sie schon richtig lieb
gewonnen) und wieder rein in die Ski und rauf auf den
Grieskogel.
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Hier machte sich mittlerweile eine ganze Armee von
Fotographen und Darstellern breit, die offensichtlich
Werbeaufnahmen für einen Ski-Moden Katalog machten. So was
sieht man ja nicht alle Tage, und es war eine nette
Abwechslung nach der bedrückenden Stille von nebenan. Doch
jeder weiß: auf das Showbusiness ist kein Verlass! Bevor die
einen hier gnadenlos allein zurücklassen, fahr ich doch lieber
gleich wieder runter, zumal meine Anwesenheit den Regisseur
irgendwie nervös zu machen schien.
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Ein paar Schwünge grausigster Pulverschnee, dann kurze
Schussfahrt am Grasstallferner und endlich der langersehnte
Bruchharsch, angemessen verspurt und wunderbar fest, so daß
es beim Durchschneiden so richtig schön knarzt. Einfach
herrlich. Weiter unten ein nahtloser Übergang in saftigen
Faulschnee, stumpf genug, um trotz des lästigen
Gefälles endlich schieben zu können - zum Glück
war kaum mehr Wachs auf dem Belag! 1700 Meter Traumabfahrt
bis nach Niederthai - und jeder einzelne Meter davon wird
lange in Erinnerung bleiben!
Mehr Fotos und eine genauere Routenbeschreibung finden sich
hier...
Genussvolle Ostergrüße von
oeg
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